Sitzung: 06.11.2018 Bau- und Umweltausschuss
Vorlage: 350/125/2018
Für die Berichterstattung zur Informationsvorlage des
Umweltamtes vom 31.10.2018, welche der Niederschrift als Anlage beigefügt ist,
begrüßte der Vorsitzende Herrn Rainer Röckle und Frau Dr. Christine Ketterer
vom Büro iMA Richter & Röckle GmbH & Co.KG, Freiburg, die eine
Präsentation über das Ergebnis der Stadtklimaanalyse vorbereitet hatten. Herr
Röckle, so der Vorsitzende, war bereits im Sommer 2018 bei einer
Bürgerinformationsveranstaltung zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans
(FNP) im Kreuzgang der Augustinerkirche zu Gast. Sodann übergab der Vorsitzende
das Wort an Herrn Röckle.
Herr Röckle betonte zu Beginn seines Vortrages, dass
mit zunehmendem Klimawandel Fragestellungen immer häufiger auftretender
„Hitzewellen“ in den Fokus städtischer Klimaverhältnisse fließen würden und
insbesondere in Wärmegebieten wie Landau bestehe hierzu Handlungsbedarf. So
könnten auf Grundlage der Stadtklimaanalyse in einem Flächennutzungsplan die
für das Klima wichtigen Flächen berücksichtigt oder ausgewiesen werden. Herr
Röckle ging in diesem Zusammenhang auf Gunst- und Ungunstfaktoren sowie deren
Wertigkeit ein. Menschen in besonders dicht besiedelten Stadtbereichen, die
beispielsweise Ungunstfaktoren wie thermischer oder lufthygienischer Belastung
ausgesetzt sind, hätten dabei eine „höhere Betroffenheit“ als beispielsweise
Bewohner eines gut von der Kaltluft durchströmten Stadtdorfs westlich der
Kernstadt. Für die Stadt Landau sei als Gunstfaktor die Kaltluft, die vom
Pfälzerwald zur Stadt hinströmt, zu nennen. Von insgesamt vier identifizierten
Kaltluftströmen würden „die beiden mittleren Kaltluftströme“ unmittelbar
westlich dem Luftaustausch in der Stadt in besonderer Weise dienen und in den
heißen Sommermonaten für eine Abkühlung mit Abtransport von Luftschadstoffen
sorgen. Hierbei können u.a. aufgrund der Topographie die westlich gelegenen
Wohngebiete der Kernstadt sowie die Stadtdörfer Mörzheim, Wollmesheim, Arzheim,
Godramstein und Nußdorf von einem besseren Luftaustausch und einer höheren
Abkühlung als das östliche Stadtgebiet profitieren.
Anhand einer Grafik zeigte Herr Röckle die
Stickstoffdioxidbelastung verschiedener Städte in Rheinland-Pfalz, bevor er im
Anschluss auf die Luftschadstoffbelastung der Stadt Landau einging. Die
höchsten Belastungen seien neben den Bereichen der Autobahn (A 65) bei
Landau-Queichheim, für die Bundesstraße (B 10) und im innerstädtischen Bereich
für den Landauer Süden sowie am Marienring, der Rheinstraße und im Horstring
festzustellen.
Weitere Darstellungen, die von Herrn Röckle gezeigt
wurden, bezogen sich auf die urbanen Wärmeinseleffekte, welche in der
Innenstadt hoch und im Westen niedriger seien, das Human-Bioklima, welches von
verschiedenen Faktoren wie Aktivität oder Kleidung des Individuums und
thermischen Einflüssen abhängig sei, und die nächtlichen Kaltluftströmungen vom
Pfälzerwald kommend. Dabei verwies Herr Röckle auf die Klimafunktionenkarte,
die alle relevanten Ergebnisse der Stadtklimaanalyse aus klimatologischer Sicht
zusammenfassend darstelle.
Zu guter Letzt bezog sich Herr Röckle auf die
Planungshinweiskarte, die darstellte, wo keine Nachverdichtung in Landau mehr
erfolgen sollte und sich Flächen mit einer Relevanz für die Durchlüftung
befänden.
Der Vorsitzende dankte Herrn Röckle für dessen Vortrag
und den deutlichen Hinweisen für die Siedlungspolitik. Die Erkenntnisse würden
in manchen Bereichen zu einem Umdenken führen müssen - gerade im Hinblick auf
den Grundsatz „Innen- vor Außenentwicklung“, so dass nicht jede Freifläche in
der Stadt bebaut werden könne. Die Stadtklimaanalyse zeigte außerdem, dass eine
Bebauung „im größeren Stil“ für das Areal des ehemaligen Rangierbahnhofs –
unabhängig vom beabsichtigten Bieterverfahren des Grundstückseigentümers – nun
fraglich sei. Gleichzeitig sei die Siedlungserweiterung im Südwesten der
Kernstadt stadtklimatisch vergleichsweise unbedenklich.
Ausschussmitglied Herr Maier dankte Herrn
Röckle für den Zwischenbericht und der Verwaltung für die ergänzende
Informationsvorlage.
Bewusst wurden in den letzten Jahren immer Entwicklungsflächen
„innen“ vor „außen“ gesucht, so Herr Maier. Man habe sich schwergetan, nach
außen zu gehen. Als Alternative gebe es dann nur die Nullvariante und dies
könne seiner Meinung nach keine Alternative sein.
Herr Maier fand es wichtig, die Bewusstseinsfindung in
der Bevölkerung zu fördern und beispielsweise die Menschen für die negativen
Folgen eines reinen Steingartens zu sensibilisieren.
Herr Klemm nahm Bezug auf Herrn Maiers Wortmeldung und
appellierte, die Innenentwicklung nicht „zu schwarz“ zu sehen. Es gehe vielmehr
darum, Flächen behutsamer zu entwickeln und auch Dach- wie Fassadenbegrünungen
in Erwägung zu ziehen. Zudem sei die Fläche des ehemaligen Rangierbahnhofs noch
nicht ganz abgehakt. Eine Wohnbebauung in geringerem Ausmaß sowie die verstärkte
Anlage klimawirksamer Grünflächen sei gegebenenfalls möglich.
Ausschussmitglied Herr Freiermuth hielt Herrn
Röckles Vortrag für hochinteressant. Die Erkenntnisse aus der Stadtklimaanalyse
werden die weiteren Planungen beeinflussen und die Verdichtung müsse kritisch
betrachtet werden. Zudem sei wichtig, der Flächenversiegelung entgegenzuwirken
und Maßnahmen, wie z.B. Rasengittersteine, als Alternativen zu ermitteln.
Abschließend lobte Herr Freiermuth, dass Herr Röckle die einzelnen Ortsteile in
seinem Vortrag dargestellt habe.
Herr Röckle ging auf Herrn Freiermuths Wortmeldung ein
und nannte Maßnahmen, welche die Verdichtung entschärfen könnten. Zum einen
seien hier Begrünungen zu erwähnen und die Einhaltung bzw. Umsetzung der EnEV
(Energieeinsparverordnung). Denn gerade Altbestände aus Backstein würden Wärme
speichern, sich aufheizen und nachts weniger abkühlen.
Des Weiteren erklärte Herr Röckle, dass
Ausgleichsflächen und Artenschutzflächen gesetzlich genormt wie besonders
geschützt seien. Um Flächen für das Stadtklima müsse man kämpfen, sie stehen
oft unter besonderem Nutzungsdruck.
Ausschussmitglied Herr Freiermuth fragte, ob es
Fälle gebe, wo sich Luftströmungen verändert und somit Bebauungen gekippt
hätten? Herrn Röckle sei kein Fall bekannt. In Landau käme die Kaltluftzufuhr
aufgrund der Topographie und Nähe zum Pfälzerwald nicht zum Erliegen.
Ausschussmitglied Herr Eichhorn fand gut, dass
die Luftleitbahnen bei der Erstellung des FNP berücksichtigt werden und jeweils
Grünschneisen im Bereich der Wollmesheimer Höhe sowie der Bahnlinie erhalten
werden sollten.
Es überrasche Herrn Eichhorn nicht, dass Parks eine
wichtige Funktion für das Klima innehätten. Ein Eingriff dort käme einem
Selbstmord gleich, weshalb sich Herr Eichhorn auch für effektive Begrünungen
aussprach.
Ausschussmitglied Frau Follmann hätte sich
gewünscht, dass die Planungshinweiskarte schon als Anhang zur
Informationsvorlage vorgelegt worden wäre.
Weiterhin hinterfragte Frau Follmann die dargestellten
Frischluftschneisen. Ihr erschien es nicht logisch, dass deren
Nord/Süd-Richtung im Bereich der Bahntrasse einen Knick machen könne.
Frau Follmann wollte zudem wissen, weshalb im Rahmen
der Stadtklimaanalyse keine Temperaturmessungen durchgeführt, sondern die
Temperaturen berechnet worden seien und in Herrn Röckles Vortrag keine
Simulation mit und ohne Bebauung gezeigt wurde. Ein Klimaanpassungskonzept
würde schlichtweg mehr enthalten als nur die Frischluftzufuhr. Frau Dr.
Ketterer antwortete Frau Follmann, dass Messungen teuer und sehr aufwendig
seien und letztlich auch nur punktuell erfolgen würden. Herr Röckle ergänzte,
dass die Region um Landau kein „meteorologisches Niemandsland“ sei und
klassische Messstationen (DWD, Meteomedia) sowie agrarmeteorologische
Messstationen der DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) für die
Datenlage herangezogen worden seien. Mit Hilfe dieser Messstationen konnten
auch die Ergebnisse der Modellsimulationen für die Fläche von 50 km x 80 km
entlang des Frischlufteinzugsbereichs am Rande des Pfälzerwaldes validiert
werden.
Hinsichtlich der Frage zu den Frischluftschneisen
erklärte Frau Dr. Ketterer, dass die Luftleitbahn Nord/Süd eine Breite von 50 m
und eine Länge von 4 km hätte. Leichte Kurven bzw. Knicke seien auch durch die
vorhandene Hausbebauung zu erklären. In Steckbriefen zu den
Entwicklungsbereichen des FNP, welche in dem Abschlussbericht enthalten sein
werden, würde das Büro noch näher auf die Funktionen der einzelnen
Luftleitbahnen eingehen. So habe z.B. die Nord/Süd-gerichtete Frischluftschneise
an der Bahnlinie keine größere Bedeutung, weil hier lediglich eine
klimatologische Ausgleichswirkung für die direkt benachbarte Bebauung aber
keine Frischluftfunktion für die Kern Stadt verortet sei. Herr Abel ergänzte
Frau Dr. Ketterer und erklärte, dass weiter im Osten weniger
Kaltluftdurchströmung ankommen würde.
Frau Follmann fand es unbefriedigend, dass die
Steckbriefe erst in Monaten mit dem Abschlussbericht vorgelegt werden sollen.
Ausschussmitglied Herr Eisold dankte Herrn
Röckle und Frau Dr. Ketterer für die dargelegten Analysen und wollte wissen,
welche Gebäudehöhen hinsichtlich der Luftströme unproblematisch für eine
Bebauung seien. Herr Röckle erklärte daraufhin, dass die Luftverwirbelung von
der Umgebungsbebauung abhängig sei. Je höher die Gebäude, desto stärker die
Belastung.
Weiterhin fragte Herr Eisold, wie der Zeitablauf
aussehe. Herr Abel antwortete, dass das Klimaanpassungskonzept im Sommer 2019
fertiggestellt sein und die Stadtklimaanalyse in den FNP eingearbeitet werde.
Herr Kamplade ergänzte Herrn Abel dahingehend, dass im Sommer 2019 auch ein
erster Entwurf der Neuaufstellung des FNP mit allen Fachgutachten zu erwarten
sei.
Ausschussmitglied Herr Heuberger wies auf die
veränderte Wetterlage in diesem Sommer hin. Durch die Nordwinde seien viele
Austrocknungen begünstigt gewesen. Aufgrund dessen habe Herr Heuberger, der in
seiner Freizeit auf die Jagd geht, auch Veränderungen im Jagdrevier vornehmen
müssen. Wie würde sonst allerdings die Wetterlage aussehen? Herr Abel nahm
Bezug auf Herrn Heubergers Wortmeldung und erklärte, dass sich durch die
topografische Lage Landaus die relevanten Kaltluftströme in überhitzten
Sommernächten durch Windrichtungen nicht verändern ließen. Die Ströme werden
bei sogenannten autochthonen Wetterlagen nur durch die Topografie geleitet.
Frau Dr. Ketterer erklärte in diesem Zusammenhang, dass durch die topografische
Lage Landaus auch noch in 20 Jahren nachts Schadstoffe über die Luftströme
(hier: Kaltluftabflüsse) in östliche Richtung abtransportiert werden.
Ausschussmitglied Herr Wagner dankte den
Vortragenden, bat allerdings darum, Karten im Vorfeld zur Verfügung zu stellen.
Herr Wagner wollte wissen, inwiefern die
Kaltluftströme vom Pfälzerwald, welche sich zum Rhein hin abschwächen, für
andere Kommunen relevant seien. Herr Röckle erklärte, dass solche
Untersuchungen Gegenstand der Regionalplanung seien, aber das, was für Landau
gelte, selbstverständlich auch über die Stadtgrenzen hinweg gelte.
Ausschussmitglied Herr Hartmann war mit der
Stadtklimaanalyse nicht zufrieden. In der Informationsvorlage seien
widersprüchliche Angaben enthalten.
Als positiv erachtete er hingegen die Information,
dass bei einer Gebäudehöhe von 28 m noch ein Luftaustausch erfolgen könne. Kritisch
äußerte Herr Hartmann sich jedoch, dass eine Anfrage seiner Stadtratsfraktion
„übergangen“ worden sei. Auch in der Informationsvorlage werde kein Bezug auf
diese genommen. Herrn Hartmann fiel auf, dass die Stadtklimaanalyse die
Planungen für die Neubaugebiete nicht problematisierte. Dies sei verwunderlich. Er kündigte an, sich
die Karten, sobald sie ihm vorliegen werden, genauer anzuschauen.
Herr Klemm ging auf Herrn Hartmanns Wortmeldung ein
und verwies auf die Erklärungen und Vorarbeiten von Herrn Abel, der bereits
frühzeitig bei der Erarbeitung der Ausschlussflächen beteiligt war. Auch der
Vorsitzende betonte, dass keine „Dilettanten“ am Werk gewesen seien und die
Stadtklimaanalyse zeige, dass die Mitarbeiter der Verwaltung zuvor schon in die
richtige Richtung geplant hätten. Stadtklimatische Aspekte seien von Anfang an
bei den Standortuntersuchungen berücksichtigt worden, deshalb gebe es nun auch
keine Konflikte mit stadtklimatischen Aspekten.
Ausschussmitglied Herr Lichtenthäler gab zunächst
keine Beurteilung ab, stellte allerdings fest, dass es etliche Konflikte mit
dem Landesentwicklungsplan gebe.
Ausschussmitglied Herr Hartmann hinterfragte,
weshalb das Büro von Herrn Röckle, das auf seiner Website auch
Klima-Messfahrten mit Temperaturmessungen anbieten würde, für die Stadtklimaanalyse Landaus
Berechnungen und keine Klimamessungen durchgeführt habe. Was hätten Messungen
an Mehrkosten verursacht? Herr Röckle antwortete, dass Messungen aufgrund der
personalintensiven Bearbeitung teuer seien, hierzu passende Wetterlagen (sog.
Kaltluftnächte) stets abgewartet werden müssten, und Messungen immer nur punktuelle
Momentaufnahmen darstellten. Herr Röckle schätze die Mehrkosten auf ca. 20.000
EUR. Herr Abel ergänzte Herrn Röckle und erklärte, dass derartige Messfahrten
vom Projektträger Jülich nicht gefördert seien. Die Stadt habe bereits viele
Punkte für die Stadtklimaanalyse zu 100% aus eigener Tasche finanziert. Da es
viele umliegende DLR-Messstationen (für den Weinbau) gebe, könnten die
Ergebnisse der Stadtklimaanalyse nachkalibriert werden.
Ausschussmitglied Herr Doll nahm Bezug zu
den in Herrn Röckles Vortrag genannten Gunst- und Ungunstfaktoren. Eine
Nachverdichtung sei demnach im Hinblick auf die Durchlüftung nicht gut. Dennoch
sollte man sich nicht nur an den Modellierungen festhalten und ggf. eher eine
lockere Bebauung für die Flächenentwicklung in Erwägung ziehen. Herr Röckle
erinnerte daran, dass bei einem geringeren Flächenverbrauch eine hohe
Verdichtung als Konsequenz zu sehen sei. Letztendlich entscheide der Stadtrat,
was wichtiger sei: Klima oder Verdichtung. Dies sei ein Abwägungsprozess.
Da sich keine weiteren Wortmeldungen mehr
abzeichneten, merkte der Vorsitzende an, dass es noch viel zu diskutieren gebe.
Abschließend erklärte er die Informationen als zur Kenntnis genommen.