Der Vorsitzende begrüßte Herrn Professor Dr. Arne Güllich von der Technischen Universität Kaiserslautern sowie Herrn Martin Schwarzweller den Geschäftsführer des Sportbundes Pfalz e.V. und bedankte sich für ihr Kommen und ihre Bereitschaft. Die Einladung erfolgte aufgrund des Antrages der SPD-Stadtratsfraktion. Hier geht es um die demographische Entwicklung im Bereich Sport. Da Landau vor einigen Sporthallenneubauten steht, interessiert die Frage, ob man hier auf dem richtigen Weg ist. Es wird die Erfahrung gemacht, dass Landau immer stärker Anziehungspunkt wird. Nicht nur für Familien sondern auch für ältere Menschen, welche im Landkreis gewohnt haben und im Alter mit hoher Wohnqualität in der Stadt wohnen möchten. In den nächsten 15 bis 20 Jahren besteht seiner Ansicht nach kein geringerer Bedarf an Sporthallen, auch wenn sich unter Umständen die Zusammensetzung der Bevölkerung verändern wird.

 

Prof. Dr. Güllich dankte für die Einladung. Er möchte die aktuelle Lage von Forschung sowie die Befundlage vorstellen und wird dabei auf Beobachtungen oder auf Erwartungen, welche in der Öffentlichkeit durch Medien geäußert werden, eingehen. Die Frage lautet: „Wie lassen sich Bewegungs- und Sportverhalten heutzutage und insbesondere bei Kindern und Jugendlichen beschreiben? Was lässt sich erwarten und wie ist das Sportinteresse in 10 bis 15 Jahren?“

In den meisten Regionen ist absehbar, dass die Kinderzahlen sinken und die Älterenzahlen steigen. Hier hat man in den nächsten Jahrzehnten eine Verschiebung mit mehr älteren und weniger jüngeren Menschen. Hierzu werden von den Medien und teilweise auch von Kollegen in den Sportwissenschaften bedrohliche Szenarien gezeichnet. Der Sportverein ist in seiner Existenz gefährdet. Das jugendliche Engagement im Sportverein wird abnehmen, Werte wie Gemeinschaft und Geselligkeit werden ebenfalls in den Hintergrund treten. An deren Stelle werden Erlebnis- und Funsport treten. Die jugendlichen Subkulturen innovativer Bewegungsformen und Trendsportarten und auf der anderen Seite, insbesondere im Bereich der älteren Sportengagierten, werden gesundheitsbezogene Angebote sich verstärken und vermehren.

Als Wissenschaftler interessiert er sich insbesondere dafür, wie es sich in der empirischen Forschung darstellt. Da kann man aus einem relativ reichen Fundus an empirischer Forschung aus den letzten 20 Jahren schöpfen. Sportvereine stellen sich dar und sehen sich an erster Stelle als Organisator der Jugendarbeit. Inhaltlich lassen sich 3 Dimensionen ausmachen. Zuvorderst Orientierung auf Gemeinschaft und Geselligkeit, im Zweiten wettkampf und leistungsbezogen, erst nachrangig der Freizeitsport. Die Entwicklung in den Sportvereinen in der Pfalz blieb relativ stabil. Dagegen ist in den letzten 10 Jahren die Orientierung im Wettkampf- und Leistungssport sehr signifikant angestiegen. Der Kinder- und Jugendaltersbereich bis 14 Jahre ist weit überpräsentiert in den Sportvereinen. In der Pfalz ist es auch so, dass die Mitglieder im Altersbereich Kinder und Jugend, insbes. im Alter von 7 – 14 Jahren, beträchtlich gewachsen ist. Die Sportangebote sind zu 85 Prozent wettkampf- und leistungsbezogen. Daneben berichtet jeder 2. Bereich, dass gesellige Angebote auch außerhalb des Übungsbetriebs Teil ihrer Angebote sind. An dem nimmt tatsächlich etwa die Hälfte der Vereinsmitglieder teil. Bei Vereinen, die viele Kinder und Jugendliche unter ihren Mitgliedern haben, sind die wettkampfbezogenen Angebote deutlich signifikant ausgeweitet worden und die nichtwettkampfbezogenen Angebote deutlich zurück gegangen. Ein weiterer Punkt ist die Generation XXL, wo auf gesundheitliche Risikofaktoren, insbesondere Bewegungsarmut, hingewiesen wird. Eine Abnahme von Bewegungsaktivitäten über Kinder- oder Jugendlichengenerationen hinweg ist bisher noch nicht nachgewiesen worden. Wohl stellt man inhaltliche Verschiebungen fest. Zum Beispiel sind die heutigen Kinder kräftiger, haben größere Kraftfähigkeiten als es vor 20 Jahren der Fall gewesen war. Dafür sind sie etwas weniger ausdauernd. Sie wissen jedoch, dass es zwischen Internetkonsum und Fernsehkonsum und dem Ausmaß und der Intensität von Bewegungsaktivitäten keinen signifikanten Zusammenhang gibt. Was den Status von Sport und Fitness betrifft, so wissen sie wohl, dass es hier sehr enge Beziehungen zur sozialen Lage gibt. Je höher die soziale Schicht, desto höher ist das Sportengagement und desto höher auch die körperliche Fitness und je niedriger die soziale Schicht ist, desto geringer, gesundheitsorientierter und zukunftsorientierter ist das Verhalten und damit auch die Lebensaktivitäten und körperliche und sportliche Fitness. Es gibt Zusammenhänge zwischen Sport, Fitness und Gesundheit, welche weit komplexer sind als angenommen. Angenommen man betreibt 8 Wochen lang Jogging. Dann geht es der Gesundheit besser oder ähnliches. Vielmehr scheint es so, dass es hier indirekte moderierte Effekte gibt. Das derzeitige Projekt nennt sich „Gesunde Kommune“. Hier werden Flächenbevölkerungsuntersuchungen durchgeführt. Da erweist sich, dass Sport gesund ist. Allerdings vermittelt über nicht so sehr biologische Aspekte von Gesundheit sondern psychischer und sozialer Aspekte von Gesundheit.

 

Sei Fazit lässt sich in drei Punkten zusammenfassen:

1.       Sportvereine mit Wettkampsport erweisen sich gegenüber raschem, dynamischem, gesellschaftlichem Wandel gegenüber als außerordentlich robust und äußerst stabil, was Mitgliederzahl und was inhaltliche Ausrichtung von Sportangeboten anbetrifft.

2.       Es gibt innovative Bewegungskulturen und es gibt Trendsportarten. Diese bleiben relativ flüchtig, eben Modeerscheinungen, die entweder in den Vereinsport integriert werden und zur Wettkampfsportart werden. Dann hat man eine gute Chance, dass es eine stabile und etablierte Sportart wird. Werden sie nicht in den Vereinssport integriert, gehen sie so schnell wieder unter, wie sie gekommen sind.

3.       Ein Rückgang des Bedarfs an Sportstätten ist für die nächsten mind. 10 Jahren flächenübergreifend nicht der Fall. Das ist daher bedingt, dass die meisten Orte weniger Kinder und mehr ältere Menschen haben. Allerdings zeigt sich immer mehr, dass der Anteil der Kinder in den Sporthallen weiterhin wächst. Insbesondere der Anteil der älteren Menschen, die Sport treiben, wächst und die jeweiligen Älteren, bereits die Sport treiben, tun die in noch größerem Umfang. Durch die Verschiebung des individuellen Lebensverlaufs wird man Effekte haben, die sich mindestens auf die nächsten 10 Jahre, wahrscheinlich 15 Jahre, etwa ausgleichen werden. Teilweise wird sogar noch zusätzlicher Sportstättenbedarf benötigt.

 

 

Herr Schwarzweller bedankte sich für die Einladung. Er ging an dieses Thema „Freizeitverhalten von Jugendlichen und Vereinbindung“ als Verbandsfunktionär und als Vertreter der Vereinen und Verbänden. Er kann den Vortrag von Prof. Dr. Güllich nur unterstützen. Was ehrenamtliches Engagement betrifft liegt Rheinland-Pfalz bundesweit an 2. Stelle und das ehrenamtliche Engagement steigt stetig. Im Vergleich der Mitgliederentwicklung von 1970 zu heute kann festgestellt werden, dass es im Jahr 1970 43.027 Kinder und Jugendliche in den Vereinen gab und heute eine deutliche Steigerung der Mitgliederzahlen von Kindern (114.414 Mitglieder) und Jugendlichen (71.000 Mitglieder) in den Vereinen zu verzeichnen ist. Dies ist eine Verdreifachung der Zahlen von Jugendlichen in Sportvereinen. Der Organisationsgrad des Sports in der Pfalz hat sich deutlich gesteigert. Im Jahr 1975 waren 22,7 % der Bevölkerung Vereinsmitglied und im Jahre 2011 sind es 37,7 %. Die demographische Entwicklung in der Pfalz, wie von Prof. Dr. Güllich angeführt wurde, ist vorhanden. In Landau sind 70 % der Jugendlichen bis 14 Jahren Mitglied eines Vereines und bei den Kindern sind es etwas über 60 %. Auch ist zu sehen, dass die Zahl der Senioren zunimmt. Sie werden im Verein älter und bleiben auch sportlicher, wie das früher der Fall war. Die klassischen Wettkampfsportarten bleiben in ihrer Entwicklung stabil.

 

Ratsmitglied Ludwig möchte wissen, ob es eine Untersuchung gibt, wie stark der Anteil der Vereine im Hinblick auf Integrationsarbeit ist.

 

Prof. Dr. Güllich berichtet, dass es eine Integrationsarbeit eines Studenten gab. Er sollte hierzu die Literatur recherchieren, wie viele Untersuchungen es bei Integrationseffekten von Sportvereinen gibt. Gut integrierte Kinder und Jugendliche neigen eher dazu Sport zu treiben oder Sport führt dazu, dass Kinder und Jugendliche integriert sind. Der Student hat hierzu 43 Quellen gefunden. Teile davon hatten Effekte von Vereinsport auf Integration, welcher Art auch immer, durchgeführt. Einen empirischen Nachweis gibt es jedoch nicht.

 

Ratsmitglied Ludwig wies auf seinen Enkel hin, welcher Mitglied in einem Verein war. Da ihm die Vereinbindung jedoch zu streng war, ist er wieder aus dem Verein wieder ausgetreten. Er stellt sich nun die Frage, ob dieser Trend nicht zunehmend zu beobachten ist und ob man daraus nicht folgern kann, dass die Versorgung der Schulen mit Sport eine konstante Größe ist. D.h., dass der Schulsport eher defizitär angeboten wird und dass dort Nachholbedarf besteht. Wenn dies zu 100 Prozent erfüllt werden würde, entsprechende Lehrer und die entsprechenden Räume vorhanden wären, sei dies eine konstante Ebene. Konstant in dem Sinne, dass die Halle allein schon dadurch sehr stark frequentiert wird. Die fehlende Vereinsbindung kann seiner Meinung nach nicht dazu führen, dass von dieser Seite her eine ständige Belegung der Sporthallen zu erwarten ist. Zur Belegung einer Sporthalle gehört die Organisation, der Hausmeister, jemand der die Verantwortung für die Sporthalle hat.

 

Prof. Dr. Güllich machte deutlich, dass der Vereinssport unverändert bestehen geblieben ist. Die Jugendlichen entscheiden nicht, wie man sich das vielleicht vorstellt, mit entweder/oder. Sie üben abends ihren Vereinssport aus und in der Freizeit gehen sie Trendsportarten nach. Gerade durch den innovativen Sport der jugendlichen Subkulturen hat man eine Bereicherung der Sportkultur insgesamt. Dies geht aber nicht auf Kosten des organisierten Vereinssports, sondern ist eine zusätzliche Bereicherung. Ebenso kamen die Fitness-Studios hinzu, welche jedoch keine Konkurrenz für den Vereinssport darstellen. Bzgl. des Alters, was auch sein Enkel betrifft, ist erwiesen, dass man in den 50er/70er Jahren mit 12 Jahren in einen Sportverein eingetreten ist und bis 20 Jahre blieb. Heute gehen die Kinder mit 5 Jahren in den Sportverein und bleiben bis 13 Jahren. Es hat sich ein 8-Jahre-Zeitraum herauskristallisiert und je früher man in einen Sportverein geht, desto früher geht man auch wieder heraus. Aus einer groß angelegten Studie weiß man, dass von allen 18-Jährigen und Jugendlichen über 80 % in einem Sportverein waren, im Durchschnitt über 8 Jahre und im Durchschnitt in 3 Sportarten. Nach seiner Wahrnehmung ist nicht zu erkennen, dass Sportlehrer eingestellt werden. Ganztagsschulen sowie G-8- und G-9 Schulen werden derzeit geprüft. Ein Punkt, welcher in Angriff genommen werden sollte, ist der Hallenbelegungsplan. Hallenbelegungspläne sind nicht immer identisch mit Hallenbelegungen. Sie vermuten, dass man durch verbessertes Sportstätten-nutzungsmanagement und man ehrlicher und offener mit den Interessen den Vereinen umgeht, man einiges erreichen kann.

 

Ratsmitglied Lerch bedankte sich für die interessanten Zahlen. Er möchte noch wissen, ob man davon ausgehen kann, dass ein Rückgang an Bedarf von Sportstätten stattfinden wird. Ebenso die Frage der Effizienz. Wie kann man Mehrwert gleiche Effekte mit knapperen Geldern und Ressourcen erzielen?

 

Der Vorsitzende verdeutlichte, dass die Hallen für den Schulsport gebaut werden und erst nach Nutzung der Schulen wird diese den Vereinen zur Verfügung gestellt.

 

Herr Schwarzweller erklärte, dass es um das Thema kommunale Sportentwicklung geht. In verschiedenen Kommunen in der Pfalz mussten sie sich mit heftigen Diskussionen auseinander setzen. Er wies auf das Beispiel in Neustadt hin. Von Neustadt wurden sie nun angefragt, wie eine Kommune dies in den Begriff kommen kann. Der erste Schritt ist, dass man eine kommunale Sportentwicklungsplanung in die Wege leitet, eine Bestandsaufnahme macht, die Sportstätten bewertet, feststellt, wie der Sanierungsbedarf ist, Schulstandorte und Vereinsanlagen mit aufnimmt etc. Die Bestandsaufnahme in Neustadt kostet 25.000,-- €. Er wird den Stadtrat auf dem Laufenden halten, was in Neustadt passiert.

 

Der Vorsitzende stellt den Fraktionen frei, einen Antrag für einen Sportstättenbedarfsplan zu stellen. Dieser wird Geld kosten. Im Ergebnis wird er haben, dass zu wenig Sportstätten in der Stadt vorhanden sind. Die Sporthallen, welche gebaut werden sollen, werden den Bedarf, der in Landau entsteht, nicht decken können. Auch die nächsten 20 Jahre nicht. Was seiner Meinung nach etwas bringen könnte, ist die optimalere Nutzung im Vereinssport nach 16.00 Uhr. Dies kann vom Schulverwaltungsamt nicht geleistet werden. Es handelt sich jedoch immer nur um eine Momentsaufnahme. Diese Untersuchung müsste alle 2 – 3 Jahre neu untersucht werden. Man wird nicht umhinkommen, einen Ersatz für die Rundsporthalle zu schaffen. Er plädiert zur Errichtung einer 1-Feld-Halle im Wohnpark Am Ebenberg und zwei 2-Feld-Hallen.

 

Ratsmitglied Dr. Migl möchte wissen, wie die demografische Entwicklung nach den von Prof. Dr. Güllich geäußerten 10 Jahren sein wird. Da auf dem Gelände am Ebenberg geplant ist, für Trendsportarten eine Anlage zu errichten, stellt sich ihr die Frage, ob dies eine günstige Investition ist.

 

Prof. Dr. Güllich stellt klar, dass sie mit guter Sicherheit sagen können, dass es über 10 Jahre hinaus keine Reduktion des Sportbedarfes und der Sportstätten und Sporträumen geben wird. Bei solchen Prognosen bat er um Verständnis, dass diese nur soweit prognostiziert werden, wie sie auch seriös nachweisbar sind. Bis 10 Jahren kann man das mit guter Sicherheit tun, bei 15 Jahren kommt es darauf an, um welche Kommune es sich handelt. Was sie nicht vorhersagen können, sind beispielsweise denkbare politische Entscheidungen auf Bundesebene.

Bei den Trendsportarten ist ein Rückgang von Streetboardplätzen, Harfpipes, Scating Parks etc. festzustellen. Die Wertigkeit liegt jedoch in der Hand der Stadt.

 

Ratsmitglied Ludwig kann mit Sicherheit sagen, dass in der Landauer Berufsschule ein großer und konstanter Bedarf vorhanden ist. Dort sind Sportlehrer, jedoch liegen die Sportstätten sehr ungünstig.

 

Der Vorsitzende begrüßte die positiven Zahlen, welche von den Herren Güllich und Schwarzweller genannt wurden. Vor allem zeigen sie, dass der Vereinssport weiterhin boomen wird und dass er vor allem für Erwachsne und ältere Menschen in seinem Angebot ergänzt werden muss. In der Stadt Landau werden keine zusätzlichen Sportstätten für Angebote des Vereinssports gebaut. Dies wird nicht möglich sein, egal welcher Plan für die Stadt gilt und welcher Bedarf aufgezeigt werden wird. Bis zur nächsten Sitzung des Sportstättenbeirates kann die aktuelle Nutzung/Bedarf der Schulen aufgestellt werden. Bei Gelegenheit kann im Sportstättenbeirat der Sportstättenbedarfsplan offengelegt werden.

Er dankte den beiden Herren ganz herzlich für den Vortag. Es waren Ergebnisse, die man zum Teil so nicht erwartet hätte.